Was diese spezielle Zeit mit mir anstellt (3)
Lieblingsbücher sind ganz spezielle Bücher, nicht zwingend “die wichtigen”, nicht unbedingt jene, die “einen geprägt” haben, Bücher halt, die man noch mehr liebt als die anderen – und mit denen meist eine Geschichte verknüpft ist, eine Erinnerung, die eine bessere Chance hat, wieder wach zu werden in Zeiten wie dieser. Lieblingsbuch 2/10 …
«Tom Sawyer» und «Die Abenteuer des Huckleberry Finn» waren meine Lieblingsbücher schlechthin in meiner frühen Jugend. Natürlich waren es die Abenteuer und die Streiche, aber auch die ferne, unbekannte Welt – ganz anders als jene von Winnetou und Old Shatterhand –, die eine immense Faszination ausübten. Noch dazu waren die Helden Lausebengel fast «wie du und ich». Wir konnten uns ja nicht schnell im Internet eine Dokumentation über den Mississippi oder wenigstens Fotos ansehen, und Fernsehen gab es zumindest bei uns zu Hause auch noch nicht, also träumte man sich in die Landschaften hinein, roch förmlich den Fluss, die Menschen nahmen reale Gestalt an vor dem inneren Auge …
Ja, hier lernte ich das Träumen, wurde die Fantasie beflügelt.
Die hier abgebildete, diese reich illustrierte war nicht meine Lieblingsausgabe des «Tom Sawyer». Ich hatte das Gefühl, die Illustrationen engten die Vorstellung ein, gaukelten eine Realität und die Gestalt von Personen vor, die in Tat und Wahrheit ganz anders aussähen. Und obendrein misstraute ich dieser «neuen Übersetzung» vielleicht auch deshalb, weil die Schenkende Lehrerin war und das Buch als «jugendgerechte Version» pries.
Also habe ich eventuell an diesem Beispiel auch gesundes Misstrauen gelernt – und die erste Lektion im Recherchieren absolviert, indem ich einige Passagen mit jenen in meinem anderen «Original» verglich.
Nun soll man, wie man lesen konnte, den Text aus dem 19. Jahrhundert der «politisch korrekten» Sprache des 21. Jahrhunderts angepasst haben. Dies ist eigentlich unerhört, weil damit letztlich auch die Geschichte manipuliert wird. Anstand, Respekt und das Überwinden von Rassismus und Diskriminierung sind überdies nicht das Resultat einer «korrekten Sprache», sondern wären eine Aufgabe von Erziehung und Bildung. Und der richtigen Vorbilder. Wozu der derzeitige Präsident im Land, aus dem «Tom Sawyer» stammt, kaum taugt.